Vorprojekt "Visuelle Biografien in einer vernetzten Lebenswelt"

Über das Projekt

Mit der Entstehung und Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien in der digitalen Welt entwickeln sich, insbesondere in Sozialen Medien, Kommunikationsformen, welche zunehmend durch den Gebrauch von Bildern bestimmt sind. In einer weit gefassten Perspektive beschäftigt sich das Projekt mit der Frage, inwiefern sich mit digitalisierten, visuellen Kommunikationsformen die Wahrnehmung und Gestaltung von Biografien verändert. Leben ‚alte‘ Bedeutungen der bild-biografischen Konstruktion in Sozialen Medien in anderer Weise fort? Oder haben wir es mit einem grundlegenden Wandel zu tun, der herkömmliche Praktiken hinter sich lässt? Wie lassen sich diese Prozesse sinnvoll untersuchen?

Folgende Unterfragen sollen die Untersuchung leiten:

  • Was geschieht aus biografischer Perspektive wenn Fotos mit Handy oder digitaler Kamera aufgenommen und in den Kommunikationsfluss von Sozialen Medien eingespeist werden? Welche biografischen Bedeutungen sind mit diesen Praktiken verbunden?
  • Wie werden, ausgehend von Facebook als der nach Anzahl der Nutzer*innen nach wie vor größten und in Bezug auf biografische Darstellungsprozesse relevantesten Plattform, Biografien von Angehörigen unterschiedlicher Altersgruppen gestaltet?
  • In welcher Weise entstehen Biografien in einer Halböffentlichkeit bzw. Öffentlichkeit Sozialer Medien nicht zuletzt auch in der Verknüpfung von Postings in unterschiedlichen Plattformen bzw. Kommunikationssoftwares (Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp, Snapchat oder anderen), auch ohne dass dies von den Akteur*innen beabsichtigt wird? Wie reagieren Akteur*innen auf ‚ihre‘ ‚Social-Media-Biografien‘, die ihnen in verschiedenen Kontexten (beruflich, familiär, im Freundeskreis und nicht zuletzt im Rahmen des Forschungsprojektes) entgegentreten oder entgegen gehalten werden?
  • Wie unterscheiden sich, in Form und Inhalt, die biografischen Gestaltungspraktiken in Sozialen Medien gegenüber herkömmlichen sprachlich-narrativen wie bildlichen Konstruktionsprozessen von Biografien? Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen visuellen und sprachlichen Darstellungsweisen ausmachen?

Es wird davon ausgegangen, dass die Bestimmung von Kontinuitäten respektive Veränderungen in bildmedialen biografischen Konstruktionsprozessen einer Rekonstruktion von on- und offline Aktivitäten des Bildmediengebrauchs und ihrer jeweiligen biografischen Kontexte bedarf.

Unsere Materialbasis besteht aus:

  • Biografisch-narrativen Interviews ausgewählter Personen
  • Facebook Profilen und dort insbesondere Fotoalben, den dazugehörigen Kommentaren und ihre Einbettung in die Chronologie der jeweiligen Kommunikation in Verbindung mit rekonstruierbaren biografischen Ereignissen
  • analogen Bildsammlungen (Fotoalben und -bücher, Collagen, Dia-Shows, …)
  • nach Möglichkeit kurzzeitigen ethnographischen Beobachtungen zum online und offline Mediengebrauch

Ein systematischer Vergleich von sprachlich-narrativen respektive bildlich-zeigenden biografischen Konstruktionsprozessen soll so möglich werden. Bild-Textanalysen aus Sozialen Medien werden kontrastiert mit biografisch-narrativen Interviews, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Konstitution biografischer Schemata durch unterschiedliche Formen der Selbstdarstellung identifizieren zu können. Auf dieser Basis werden schließlich Bezüge zwischen verschiedenen Sozialen Medien erfasst, um deren unterschiedliche Bedeutung für biografische Konstruktionsprozesse einschätzen zu können.

Es soll die Datenbasis einer Langzeitstudie gelegt werden vor dem Hintergrund, dass Veränderungen in den Kommunikationspraktiken derzeit im Fluss sind und ihre Auswirkungen auf soziale Ordnungsschemata, wie die Form der Biografie, nur mittel- und langfristig zu erfassen sind.

Das Projekt wurde von Oktober 2017 bis März 2019 vom Jubiläumsfond der Stadt Wien für die ÖAW gefördert.

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